Alles in Bewegung

In dieser Ausstellung sind Arbeiten der letzten 8 Jahre von Ulrike Leopold zu sehen. Bei der gezeigten Malerei gibt es drei Schwerpunkte: Kindheitsbilder, Sportler und Landschaften.
Die Faszination alter Schwarzweiß-Fotografien führte Ulrike Leopold zu den Kinderdarstellungen. Thematisiert wird hier die unbeschwerte Kindheit und der Übergang zu einem beschwerten Leben, d.h. dem Verlust des Ungebändigten und der Leichtigkeit des Seins u.a. durch die schulische Erziehung. In der Malerei ist hier das Unbeschwerte erkennbar an der Bewegung der Kinder, die durch die Leichtigkeit in der Pinselführung betont wird. Ganz anders in den Bildern, in denen die verharrende Haltung der Protagonisten die Bedrückung charakterisiert.

Das Thema der Bewegung findet sich auch bei den kleinformatigen Übermalungen der Fotokopien von Sportereignissen oder in der großformatigen Malerei von Sportlern. Auch wenn vereinzelt erkennbar ist, dass es sich um Fußballer oder Läufer handelt, bleibt es zweitrangig, um welche Sportart es sich handelt. Das behandelte Thema ist wiederum das Bewegte und Bewegende, erkennbar in der Gestik und der Emotion der Dargestellten z.B. in der Siegerpose oder freundschaftlichen Umarmung, aber auch im Erschöpfungszustand. Interessanterweise betrifft ja der Begriff „Bewegung“ im deutschen Sprachgebrauch nicht nur die physische sondern auch für die gefühlsmäßige Ebene. Auch bei den Sportbildern unterstützt die Malweise das Thema „der Bewegung“. Es ist eine gestische Malerei mit einem expressiven Pinselduktus und schwungvoller zeichnerischer Konturen- und Akzentsetzung. Gleichzeitig wird durch das Einsetzen schleierhafter Weißlasuren, die an die, in der Renaissance übliche Sfumato-Technik erinnert, eine bestimmte Art von Räumlichkeit erschaffen, die „bewegt“ wirkt, weil Konturen dadurch wieder aufgelöst werden.

Übrigens bediente sich auch der Maler William Turner in seinem Bild „Great Western Railway“ dieser technischen Mittel um die Bewegung der fahrenden Eisenbahn auszudrücken. Diese Technik findet sich dann auch wieder bei den hier gezeigten Landschaften und gegenstandslosen Bildern, die wie eine Zäsur im künstlerischen Schaffen von Ulrike Leopold wirken. Denn hier steht nicht der Mensch im Vordergrund sondern der Schritt zur Abstraktion. Es werden Bildräume durch das Schichten und Überlagern von verschiedenen Ebenen erzeugt, Strukturen angelegt, die im weiteren Malprozess sich wieder aufgelösen. Auch in dem Akt des Malens selbst liegt immer die Bewegung zugrunde. In den Zeichnungen steht dann wieder ganz der Mensch im Focus. Meistens sind es wieder Situationen aus dem Sport mit dem zugrunde liegenden Thema der Bewegung.
Manchmal cartoon-haft und in wenigen Strichen festgehalten, dann wiederum wird das zeichnerische Material in seiner ganzen Bandbreite eingesetzt. Unterschiedliche Schraffuren treten in Verbindung mit Blindzeichnungen, Raum schaffende Überlagerungen treffen auf verdichtende Graphitspuren.

Auch die freieren Zeichnungen, wo nur noch ab und an einzelne Architektur- und Stillleben-Fragmente oder Wortfetzen erscheinen und die im übrigen unter dem Einfluss von Hörbüchern entstanden sind, sind ganz von der Thematik der Bewegung erfüllt. In erster Linie ist es hier aber die, die der Künstlerin.
Das Zeichnen ist ja der direkteste Zugang vom Gehirn zum Bild und das kann sowohl automatisiert geschehen, also unbewusst wie bei Kritzelzeichnungen oder ganz bewusst gestalterisch. Die Künstlerin bedient sich hier beider Möglichkeiten.
Ulrike Leopold hat sich auf ihrem künstlerischen Weg von der Malerei zur Zeichnung hin bewegt. Schon in ihren Gemälden sind Ansätze davon erkennbar. Es ist zB. eine Zurückhaltung der Farbigkeit zu erkennen und dem damit verbundenen Einsatz von Farben bzw. Nichtfarben, die man eigentlich aus dem klassischen Grafikbereich kennt, wie Schwarz, Weiß, Rötel, Grau oder Blau.
Die Thematisierung der Bewegung, die Suche nach Ausdrucksformen führte die Künstlerin Ulrike Leopold auch zur Veränderung der eigenen künstlerischen Ausdrucksformen. Und das ist Kunst in seiner Reinform. Denn Kunst hat nichts Statisches, vielmehr ist sie wandelbar, verändert sich und ist bewegt, sowie das Leben sich stetig wandelt. Wie sagten doch schon die Klassiker „Pantha rei – alles fließt – alles ist in Bewegung“.

Text: © Martin Koroscha

Ausstellung ‚Alles in Bewegung‘  im Ev. Bildungswerk, Bederkesa, 2015