Bilder – Malerei und Zeichnung

In “Sophiechen und der Riese“ von Roahl Dahl – übrigens von Quentin Blake ganz
hervorragend illustriert – trifft das Sophiechen auf einen Riesen, der sie entführt. Man
muß man sich fragen, ob sie Pech hatte, was zunächst nahe liegend scheint, oder Glück,
weil sie nur auf einen Kotzgurken fressenden und Blubberwasser trinkenden, statt Kinder
fressenden Riesen gestoßen ist.
Um eine, sich daraus ergebende Fragestellung: „Wie sehe ich auf die Welt“ und die Frage
nach der eigenen Identität, kreisen die Inhalte der hier ausgestellten Bilder.

Was wir sehen, sind in aller Regel Bilder in zurückhaltenden Farben, die überwiegend
Kinder, Sportler und Landschaften darstellen. Ein bisschen dünn ist die Luft zum Atmen
in dieser Welt schon, der Bilderwelt von Ulrike Leopold, denn, was wir zu sehen
bekommen, sind keine üblichen Kinder- und Landschaftsbilder.
Üblicherweise sehen wir, oder wollen wir auf Bildern – wenn sie nicht gerade von Krisen
berichten – Landschaften von einnehmender Schönheit sehen, in einem satten Grün, bei
herrlich blauem Himmel, in Sonnenuntergangslicht getaucht und lächelnde, fröhliche
und/oder spielende Kinder.

Die Kinder auf den Bildern von Ulrike Leopold stehen uns jedoch allein und ungeschützt,
beinah verloren gegenüber. Sie gucken uns nicht an, halten schützend eine Puppe im
Arm, wirken als würden sie vor etwas davon laufen – wie das Kind auf dem Bild, welches
Sie bereits von der Einladungskarte kennen.

Ihre Landschaften sind düstere Vulkanlandschaften mit schroffen Felsen, in dunklen
Farben und sogar die Sportler machen den Eindruck, als wären sie ihrer Kraft beraubt
und sehen nicht nach siegreichen Sporthelden aus. Mit schmerverzehrten Gesichtern,
bizarren Gesten und Körperhaltungen, manchmal beinah bis zur Unkenntlichkeit
übermalt, kommen sie uns vor, wie Geister ihrer selbst, wie verlorene Seelen.
Und genau hier zeigt sich die Qualität der Arbeit, ihre eigene Position und ihr Mut, denn
sie erlaubt uns nicht nur eine andere Sicht und Haltung auf und zu den Dingen, sie bietet
sie uns konkret an.

Wenn wir Krisen zu bewältigen haben, sind wir mit Ulrike Leopold’s Bildern so gut bedient
wie mit Dürenmatt: „Die Welt ist eine Pulverfabrik, in der das Rauchen nicht verboten
ist.“ Denken wir also zur Abwechslung negativ! Lassen sie uns schwarzsehen, dann kann
es nur besser werden und wir werden vergnügt sein, weil gerade nichts in die Luft
geflogen ist und falls doch mal etwas explodiert, hatten wir es erwartet.
Vielleicht aber reicht es aus, wenn wir unsere Erwartungen an die Welt etwas herunter
schrauben, ohne unsere eigenen Wünsche, Hoffnungen und Träume zu vergessen.

Der Autor und Philosoph Ludwig Hasler (Autor von „Verführung zum Denken“) empfiehlt
die „Welt nicht als eine Art Wellness-Zone zu betrachten – und nicht gleich in Burnout zu
verfallen, wenn am körperlich-seelischen Wohlbefinden gekratzt wird. Auch unsere
Vorfahren waren an Glück und Unglücksverschonung interessiert, bloß kurbelten sie das
Interesse nie zum Anspruch hoch. Wogegen wir, was einst Pech war, als
himmelschreiendes Unrecht empfinden.
Wenig lebensklug – denn: Pech ist erträglich, Unrecht nie.

Text: © Andrea Lühmann

Ausstellung ‚Bilder‘  im Kunstsalon Leuwer, Bremen, 2009